Die EU will Europas Solarindustrie retten

Politiker und Firmen schließen Pakt gegen Billigkonkurrenz – doch es könnte zu spät sein

Ausgabe vom 16.04.2024
Seite 5
Von Sven Christian Schulz


Solarmodule aus Deutschland: Der Hersteller Meyer Burger schließt das Werk und geht in die USA.Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Brüssel. Wer beim chinesischen Internetversandhaus Alibaba nach Solarmodulen sucht, wird mit unzähligen Angeboten zu Spottpreisen überschüttet. Paneele aus China werden für 8 Cent pro Watt verschleudert, das sind weniger als 30 Euro für ein typisches 370-Watt-Solarmodul.

Solche Preise liegen selbst in China weit unter den Herstellungskosten. Doch Subventionen des chinesischen Staats senken die Kosten laut EU-Kommission künstlich und haben zu einer großen Überproduktion und vollen Lagern geführt. Hinzu kommt, dass die USA ihren Markt abgeschottet haben und China versucht, seine Produkte verstärkt in Europa abzusetzen. Angesichts dieser Konkurrenz fürchten europäische Unternehmen um ihre Existenz. Unter 20 Cent pro Watt können sie nicht produzieren.

Mit einer Vielzahl von Instrumenten versucht die EU, die heimische Solarindustrie zu retten. Nun kommt ein weiteres hinzu: Am Montag unterzeichneten die Energieminister einen sogenannten Solarpakt mit der Industrie, der die Branche stärken und ihre Absätze ankurbeln soll. Die EU-Staaten verpflichten sich, bei öffentlichen Aufträgen und Förderprogrammen Kriterien wie Cybersicherheit, innovative Solartechnik, Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken zu berücksichtigen – und kurz gesagt vor allem europäische statt chinesische Solarmodule zu kaufen. Der Preis soll nicht mehr das einzige Kriterium sein. Zudem will die EU-Kom­mission den Solarherstellern den Zugang zu Fördermitteln erleichtern. Zu den Unterzeichnern in Brüssel gehören vor allem deutsche Firmen. Unter ihnen der Solartechnikspezialist SMA aus Nordhessen, IBC Solar aus Oberfranken und das Dresdner Unternehmen Solarwatt mit Standorten in Frankfurt am Main, Leipzig, Lübeck und Bückeburg. Solarwatt sieht einen Preisverfall von mehr als 60 Prozent von Mitte 2023 bis heute.

„Wenn wir hier in Europa eine starke Solarindustrie erhalten wollen, um in diesem Bereich weiter zumindest eine gewisse Unabhängigkeit von China zu haben, dann benötigen wir aus unserer Sicht eine Grundsatzentscheidung der Politik mit verlässlichen Rahmenbedingungen“, sagte das Unternehmen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Dem klimapolitischen Sprecher der EU-Grünen, Michael Bloss, geht der Solarpakt nicht weit genug. „Wir brauchen ganz konkrete Per­spektiven für die Industrie“, sagte Bloss. „90 Prozent der Solaranlagen in Deutschland kommen aus China.“ Die deutsche Solarbranche habe das Potenzial, bis 2030 mehr Arbeitsplätze zu schaffen als die deutsche Autoindustrie.