Kritik an AfD-Parteitag am Hitler-Geburtstag

Treffen in direkter Nähe zu einem der Außenlager Bergen-Belsens – Historiker spricht von einer Provokation

Ausgabe vom 16.04.2024
Seite 7
Von Karl Doeleke


Vor personellen Wechseln: Die AfD in Niedersachsen will auf ihrem Parteitag am 20. und 21. April in Unterlüß einen neuen Landesvorstand wählen. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hannover. Vor dem Parteitag der Niedersachsen-AfD am Wochenende wird Kritik an Datum und Ort der Versammlung laut. Die AfD will unter anderem einen neuen Landesvorstand wählen und trifft sich dafür in Unterlüß bei Celle. In dem Heidedorf befand sich ab 1944 ein Außenlager des Konzentrationslagers Bergen-Belsen. Das zweitägige Delegiertentreffen beginnt am 20. April. An dem Tag wäre Adolf Hitler 135 Jahre alt geworden – ein Feiertag für Rechtsextremisten.

Die niedersächsische AfD kann an Ort und Datum nichts Verwerfliches erkennen. Die Orte ihrer Parteitage wähle die AfD „nach praktischen Kriterien“ aus, sagte ein Sprecher. Soll heißen: Die Partei musste sich in der Vergangenheit regelmäßig in Stadthallen einklagen. Der AfD-Sprecher führt das auf „Hetze gegen die AfD, aber auch teilweise massive Drohungen gegen die Betreiber“ zurück. Auch diesmal sind Proteste angekündigt.

Gegen die Gemeinde Südheide musste die AfD nicht klagen, um ins Bürgerhaus in Unterlüß zu kommen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichte die Gemeinde dazu, alle politischen Parteien gleich zu behandeln, sagte Bürgermeisterin Katharina Ebeling. Und das historisch aufgeladene Datum? Der „Celleschen Zeitung“ gegenüber erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD im Landtag, Jens Brockmann, man habe darüber intern „kurz diskutiert“, eine Verschiebung aber verworfen. „Das ist ein Tag wie jeder andere auch.“ Tatsächlich war die AfD nicht auf den 20. April festgelegt. Sie hatte nach Angaben von Bürgermeisterin Ebeling mehrere Daten zur Auswahl. „Die AfD hat sich ausdrücklich für den 20. April entschieden“ – wie Grüne, FDP, SPD und CDU immer wieder auch, betonte der AfD-Sprecher. Auch der SPD-Unterbezirk Hannover trifft sich am 20. April. „Das Datum hatte für die Auswahl des Termins keinerlei politische oder historische Hintergründe“, sagte ein Sprecher.

Der Historiker Jens-Christian Wagner lässt den Hinweis der AfD auf andere Parteien nicht gelten. „Diese Parteien sind auch keine rechtsextremen Parteien“, sagte der Direktor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Wagner hat einst als Geschäftsführer der niedersächsischen Gedenkstätten verhindert, dass die AfD einen Sitz im Stiftungsrat erhält.

Er hält mehrere Deutungen für möglich, warum die Partei Zeit und Ort so gewählt hat. Die eine wäre, dass die historische Aussage für die AfD tatsächlich keine Rolle gespielt haben könnte – die historische Relevanz der Partei möglicherweise sogar egal war. „Das wäre schlicht geschichtsvergessen und historisch unsensibel.“

Oder die AfD habe bewusst gehandelt. „Das wäre eine geschichtspolitische Provokation. Und dann kommt noch der Ort hinzu“, sagte Geschichtsprofessor Wagner: „Ausgerechnet Unterlüß mit seiner Außenstelle des Konzentrationslagers Bergen-Belsen – ein Ort, an dem die Nationalsozialisten schwere Verbrechen begangen haben. Das ist ein Angriff auf das Andenken derjenigen, die dort leiden mussten.“ Wagner glaubt, die AfD habe sich bewusst für den 20. April entschieden: „Der Geschichtsrevisionismus gehört zur DNA dieser Partei.“