Dortmund. Die Sehnsucht nach einer magischen Fußballnacht mobilisiert letzte Kräfte. Im Viertelfinalrückspiel der Champions League gegen Atlético Madrid will Borussia Dortmund an alte, glorreiche Festspielzeiten auf großer Bühne anknüpfen. Der mögliche erste Halbfinaleinzug seit elf Jahren lässt die Strapazen der jüngsten Terminhatz und neue Personalsorgen vergessen. Nach dem eher schmeichelhaften 1:2 im ersten Duell vor sechs Tagen hofft Trainer Edin Terzic auf eine unvergessliche Sternstunde: „Wir brauchen unsere eigenen Helden in Schwarz und Gelb.“
Ähnlich wie der 41-Jährige setzt auch Sebastian Kehl auf die brodelnde Atmosphäre in der ausverkauften heimischen Fußball-Kathedrale. „Wir werden die Energie benötigen, die von außen kommt. Dann glaube ich fest daran, dass wir das packen“, sagte der Sportdirektor vor dem Showdown an diesem Dienstag (21 Uhr, Amazon Prime) gegen die für ihre Defensivkunst bekannten Spanier.
Anders als in der Bundesliga, in der die Borussia als Fünfter den eigenen Ansprüchen derzeit nicht gerecht wird, bietet sich in Europa die Chance auf einen prestigeträchtigen Coup und satte Zusatzeinnahmen von mindestens 12,5 Millionen Euro. Viel wird davon abhängen, ob sich das Team von Trainer Terzic besser verkauft als im Hinspiel, in dem nach desolatem Start zwischenzeitlich ein Fiasko drohte. Nur dank des späten Anschlusstreffers von Sébastien Haller darf die Borussia weiter auf den Einzug in den erlauchten Kreis der vier besten kontinentalen Teams hoffen.
Doch so forsch und offensiv wie am vergangenen Mittwoch im Estadio Metropolitano dürften die Rojiblancos um den einstigen BVB-Profi Axel Witsel in Dortmund kaum auftreten. Schließlich gilt ihr als Heißsporn bekannter Trainer Diego Simeone als großer Freund gnadenloser Defensivtaktik mit effektiven Kontern. „Es wird ein sehr intensives Spiel werden. Wir werden auf unsere Chancen warten und sie uns hart erarbeiten müssen“, mutmaßte Kehl.
Mit ähnlicher Philosophie erreichte Atlético unter der Regie von Simeone bereits 2014 und 2016 das Finale. Doch so stabil wie damals steht die Abwehr zum Leidwesen ihres Coachs in dieser Saison nicht. Beim 3:1 über den FC Girona am vergangenen Wochenende musste sein Team das bereits 58. Gegentor im 46. Pflichtspiel hinnehmen. Einen Schnitt von 1,26 Gegentoren pro Partie hatte es in der seit 2011 anhaltenden Amtszeit von Simeone noch nie gegeben.
Schon im Hinspiel ging es phasenweise giftig zu. So lieferte sich Sportdirektor Kehl an der Seitenlinie ein heftiges Wortgefecht mit Simeone und bekam dafür später im Netz viel Zustimmung. Auf die Frage, ob am Dienstag eine ähnliche Wehrhaftigkeit gefordert ist, antwortete Julian Brandt: „Wir müssen geduldig, ruhig und vor allem fokussiert bleiben. So müssen wir Atlético besiegen und nicht in Infights neben dem Platz.“
Wirklich frisch gehen die Dortmunder nicht in das Spiel. Das 2:1 am Samstag in Mönchengladbach bereitete viel Mühe, weil der knappe Vorsprung nach dem Platzverweis von Karim Adeyemi (55. Minute) mit viel Leidenschaft verteidigt werden musste. Zudem zogen sich Torjäger Haller und Jamie Bynoe-Gittens Verletzungen zu.
Afrikameister Haller, der sich nach langer Zwangspause wieder in die Startelf gekämpft hatte, wird wegen Sprunggelenksproblemen mindestens zwei Wochen ausfallen. Der am Rücken verletzte Bynoe-Gittens konnte am Montag bei der abschließenden Einheit genau wie Sturmpartner Donyell Malen nur individuell trainieren. Dagegen kehrt Jadon Sancho in den Kader zurück.