Kreis sucht nach Alternative zum ehemaligen Campe

Landkreis Holzminden muss bis September weitere 168 Geflüchtete aufnehmen

Ausgabe vom 16.04.2024
Seite 14
Von Thomas Specht


Aus einem Klassenraum wurden im ehemaligen Campe-Gymnasium zwei oder auch drei Zimmer mit Doppelstockbetten, Regal, Tisch und Stühlen.Birgit Schneider

Kreis Holzminden. Das Land Niedersachsen rechnet in den kommenden sechs Monaten mit rund 21.000 Geflüchteten, die landesweit verteilt, untergebracht und versorgt werden müssen. Das niedersächsische Innenministerium hat den Kommunen die neuen Verteilkontingente mitgeteilt. Für den Landkreis Holzminden meldet das Ministerium ein aufzunehmendes Kontingent von 136 Geflüchteten von April bis einschließlich September. Tatsächlich beträgt die Zahl nach Auskunft des zuständigen Dezernats beim Landkreis aber 168. Die Differenz entsteht, wie Landkreis-Sprecher Peter Drews auf TAH-Anfrage mitteilt, weil auf die Quote „die Flüchtlinge bereits angerechnet sind, die nicht über die Verteilzentren zu uns gekommen sind“.

Untergebracht werden die Geflüchteten in den beiden zentralen Flüchtlingsunterkünften im Landkreis Holzminden, im Zentrum für Migration in Eschershausen (ZFM) und im ehemaligen Campe-Gymnasium an der Wilhelmstraße in Holzminden. Im ZFM sind nach Auskunft des Landkreises derzeit 105, im Campe 153 Geflüchtete untergebracht.

Zweimal im Jahr werden die Verteilquoten mitgeteilt

Zweimal im Jahr erhält der Landkreis vom Ministerium in Hannover eine Quotenmitteilung, wie viele Flüchtlinge er im Rahmen von sechs Monaten aufnehmen muss. Die Quoten werden im April und im Oktober eines Jahres mitgeteilt. Die konkrete Zuweisung der einzelnen Flüchtlinge an den Landkreis erfolgt durch die Landesaufnahmebehörde. Diese verteilt die einzelnen Flüchtlinge an die Kommunen in unterschiedlichen Konstellationen.

Die Vorlaufzeit betrage in der Regel zwei bis drei Wochen, „wobei das je nach Flüchtlingsstrom variiert. In Krisensituationen – wie Kriegsausbruch – können die Zuweisungen auch wöchentlich erfolgen. In ruhigeren Zeiten auch einmal im Monat“, so Kreissprecher Drews. „Wie viele Flüchtlinge uns zugewiesen werden, ist unterschiedlich. Das kommt darauf an, wer in welcher Familienkonstellation nach Deutschland flüchtet. Das können Alleinreisende, Familien oder auch Gruppen sein. Die Tage, an denen uns die Flüchtlinge durch die Landesaufnahmebehörde zugewiesen werden, sind nicht bestimmt.“ Sie kommen an jedem Werktag, nicht aber an Wochenenden.

Ehemaliges Campe steht nicht dauerhaft zur Verfügung

Der TAH fragte den Landkreis auch, wie lange das ehemalige Campe-Gymnasium in Holzminden voraussichtlich noch als Flüchtlingsunterkunft benötigt werde oder zur Verfügung stehe – auch weil das Grundstück von der Stadt Holzminden übernommen werden soll, um hier die neue Innenstadt-Grundschule zu bauen. Peter Drews bestätigt, dass die Campe-Unterkunft nicht dauerhaft zur Verfügung stehe, weil die Stadt Holzminden das Gelände überplanen werde. Er antwortet: „Der Landkreis Holzminden sollte nach Hinweisen des Landes dauerhaft 400 bis 500 Unterkunftsplätze vorhalten. Neben dem ZFM mit 142 Plätzen wird also eine weitere Unterkunft dauerhaft benötigt werden. Der Landkreis sucht derzeit nach Alternativen.“

„Die Kommunen werden durch die nach wie vor hohen Zugangszahlen auch weiterhin großen Belastungen ausgesetzt sein. Wir tun alles, was wir können, um sie bei der Bewältigung der Lage zu unterstützen“, wird Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens in einer Pressemitteilung ihres Hauses zitiert. Die niedersächsischen Kommunen wurden mit Erlass vom 10. April über die Neufestsetzung des Gesamtverteilkontingents informiert.

Zuweisung auf Grundlage der Bevölkerungszahl

Die Berechnung der Verteilung erfolgt dabei vorwiegend auf Grundlage der Bevölkerungszahl und unter Berücksichtigung bestehender Über- und Unterquoten bei der bisherigen Aufnahme. Das vergangene Gesamtverteilkontingent weise Unterquoten auf, die auf das neue Gesamtverteilkontingent übertragen werden. Die Neufestsetzung wurde daher auf einem niedrigeren Niveau angesetzt, als tatsächlich Zugänge erwartet werden. Die Verteilung innerhalb der Landkreise und kreisfreien Städte erfolgt in eigener Zuständigkeit.

Jede Kommune habe nun wieder eine offene Aufnahmeverpflichtung und könne diese zur Planung von Unterbringungsmöglichkeiten nutzen. Bei der Höhe des Gesamtverteilkontingents handele es sich um eine Prognose, die den Kommunen als Einschätzung für die kommenden sechs Monate dienen solle. Es könnten auch unvorhersehbare Änderungen der Zugangs- und Verteilsituation eintreten. Nach Ablauf der sechs Monate erfolgt eine Neufestsetzung des Kontingents.

Zugänge deutlich gestiegen

Die Zugänge Asylsuchender sind sowohl im laufenden Jahr wie auch im Vorjahr im Vergleich zu den Jahren vor der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. Einerseits ist für Ministerin Behrens „das Recht auf Asyl nicht verhandelbar“, andererseits sieht sie „weiterhin die Notwendigkeit einer Reduzierung der Zugangszahlen“.

Die Innenministerin sagt den Kommunen Unterstützung bei der Bewältigung der Lage zu und erklärt zur Festsetzung des Verteilkontingents: „Wir stärken die Landesaufnahmebehörde und bauen die Erstaufnahmekapazitäten sukzessive weiter aus. Sofern die Zugangszahlen dies zulassen, sollen die Kommunen mindestens sechs Wochen Vorlauf erhalten, bevor sie Personen aus der Landesaufnahmebehörde zugeteilt bekommen. Darüber hinaus haben wir veranlasst, dass Personen aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern, deren Asylanträge nahezu ausnahmslos abgelehnt werden, die also keine Bleibeperspektive in Niedersachsen haben, grundsätzlich nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden, sondern bis zu ihrer Ausreise oder Rückführung in der Landesaufnahmebehörde verbleiben.“